13. Juni 2025

Medienmitteilung

Zwei neue Gesetzesinitiativen in Brasilien bedrohen Umweltschutz und Indigenenrechte

Der brasilianische Senat hat Ende Mai gleich zwei Gesetzesentwürfe angenommen, die einerseits Umweltschutz und andererseits Indigenenrechte weitestgehend aushebeln könnten. Würden die Initiativen rechtskräftig, so wäre dies der grösste Rückschritt seit Inkrafttreten der brasilianischen Verfassung im Jahr 1988. Aus Sicht von Voices sind diese Entwicklungen auch vor dem Hintergrund der wohl bald abgeschlossenen Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA- und Mercosur-Staaten sehr problematisch. Voices fordert schon lange die Einhaltung strenger Umwelt- und Menschenrechtsstandards im Abkommen.

Beide Gesetzesinitiativen sind Auswüchse eines Pakts der Agrarlobby und konservativer Kräfte Brasiliens, um errungene Schutzrechte der Indigenen Gemeinschaften und Umwelt zu untergraben und kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen unterzordnen.  «Dies ist umso stossender, als dass Belém demnächst den Klimagipfel COP30 beherbergen wird. Die aktuelle Politik stellt Brasiliens Ambitionen als Gastgeberin des Klimagipfels komplett in Frage», sagt Julia Büsser, Programmverantwortliche Amazonas bei Voices. «Für die Schweiz, welche im Rahmen der EFTA an einem baldigen Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten – und damit auch Brasilien – interessiert ist, muss sich die Frage stellen, wie sie diese neusten, sehr besorgniserregenden Entwicklungen im Bereich des Umwelt- und Menschenrechtsschutzes in Brasilien gewichtet».

Umweltverträglichkeitsprüfungen geschwächt

Der Gesetzesentwurf «Lei Geral do Licenciamento Ambiental” (PL 2159/2021) würde das bestehende System der Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Rolle der Aufsichtsbehörden wie FUNAI, IBAMA etc. massgebend schwächen.
Statt die wie bisher vorgeschriebenen, umfangreichen Umweltverträglichkeitsprüfungen zu durchlaufen, könnten dank dem neuen Gesetz bei kleinen und mittleren Projekten die Firmen ihre Vorhaben mit einem schlichten Online-Formular selbst deklarieren.

Dank der «licença ambiental especial (LAE)», würden für sogenannte «strategische Grossprojekte» Lizenzierungen im Schnellverfahren möglich – wobei die Dringlichkeit weitgehend eine politische Entscheidung wäre. Unter diesem Vorwand wären auch Bergbau- oder Infrastrukturprojekte in Indigenen Territorien durchsetzbar, die aktuell den höchsten Schutzstatus geniessen. Zudem verkleinert PL 2159/2021 die Pufferzonen zu den Indigenen und traditionellen Gebieten von 40km auf 15km, womit die direkten und indirekten Auswirkungen der Projekte auf die lokale Bevölkerung zunehmen werden «Das Risiko ist, dass das Gesetz eine Welle von Zerstörung auslöst. Es ist ein Freipass für Missbrauch. Katastrophen wie die Dammbrüche von Brumadino und Mariana sind vorprogrammiert.», kritisiert Julia Büsser. Der Gesetzesentwurf PL2159/2021 entrechtet faktisch Indigene und traditionelle Gemeinschaften bei Lizenzierungsprozessen. Insbesondere Territorien, die noch nicht den vollen Anerkennungsstatus erreicht haben, wären betroffen. Das sind 259 Indigene Territorien und über 1553 Quilombola-Gemeinschaften.

Schutz für Indigene Gemeinschaften geht verloren

Der zweite Gesetzesentwurf PDL 717/2024 wurde ebenfalls vom Senat angenommen und zielt direkt auf die Indigenen Rechte ab. Er hebelt zentrale Bestimmungen des so genannten „Demarkationsverfahrens“ aus, mit dem Indigene Territorien identifiziert, abgegrenzt und rechtlich vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt werden können. PDL 717/2024 ersetzt den Kern des aktuellen Demarkationsverfahrens. „Tritt das Gesetz in Kraft, könnten keine neuen Demarkationsprozesse mehr durchgeführt werden, alle laufenden Anerkennungsverfahren Indigener Territorien würden gestoppt werden und sogar bereits anerkannte Gebiete würden Gefahr laufen, ihren Schutz zu verlieren. Damit würde das wichtigste Instrument für den juristischen Schutz für Indigene Gemeinschaften zunichtegemacht“, sagt Voices-Programmleiterin Julia Büsser. Rund 240 Anerkennungsverfahren sind aktuell hängig. Es trifft auch die Landanerkennungsprozesse von Voices-Partnerorganisationen der Munduruku und Tupinambá am Tapajos-Fluss.

Verfassungswidrige Gesetze

Menschenrechts- und Umweltexpert:innen stufen die beiden Gesetzesinitiativen als verfassungswidrig ein. Zudem widersprechen sie den internationalen Bestimmungen zum Schutz Indigener Gemeinschaften, denen sich auch Brasilien verpflichtet hat (ILO 169 und UNDRIP).

Sollte das Abgeordnetenhaus dem PDL 717/2024 zustimmen, tritt es als «decreto legislativo» sofort in Kraft. Etwas anders ist der Fall beim PL 2159/2021. Hier hat der Präsident Lula da Silva die Möglichkeit ein partielles oder totales Veto zu ergreifen. Der Kongress könnte den Präsidenten jedoch wiederum mit absoluter Mehrheit überstimmen.

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